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Am Anfang war das Wasser

Und ein Gottessturm bewegte sich über dem Wasser – da sprach Gott: „Es werde Licht ... Tag eins. Da sprach Gott: Es werde ein Gewölbe inmitten der Wasser und es scheide zwischen Wasser und Wasser! So sagt es eine der Interpretationen des Alten Testaments. Das Wasser stand am Anfang. Auch in Bad Gastein. Und trotzdem macht man sich hier die Erde nicht untertan. Aber erst mal eins nach dem anderen.

Foto: Alexander Kellas
DAS GESAMTKÖRPERWASSER EINES ERWACHSENEN MENSCHen BETRÄGT 50–65%, UNSER BLUTPLASMA BIS ZU 95% – BEI ALLEN MYSTERIEN, DIE UNS DAS WASSER AUFGIBT, IST EINES KLAR: WIR SIND UNTRENNBAR MIT DEM WASSER VERBUNDEN.

 

Wie bei so vielen guten Geschichten beginnt die Geschichte von Bad Gastein mit ein wenig Brutalität, dem christlichen Glauben und endet mit einem erfolgsversprechenden Happy End. Die Sage zur Entdeckung der heißen Quellen von Bad Gastein erzählt von einem ungestümen Jäger, der einen Hirsch in das noch unbesiedelte Gasteinertal verfolgt haben soll. Das nicht zu Tode verwundete Tier flüchtete in seiner Not zu den Einsiedlermönchen Primus und Felizian, die es ob ihrer Weisheit mit Thermalwasser behandelten. Das Tier ward genesen und so erfuhr der unbedarfte Jäger wie durch ein Wunder von der Heilkraft des Wassers und tat seine Erkenntnis kund.

 

Jahrhunderte später am Wasserfall von Bad Gastein mit dem Spezialisten Alfred Silbergasser. Schon von der Ferne kann man ihn beobachten, wie er auf der Brücke steht und meditiert. Am besten stört man ihn nicht und betrachtet ihn als ähnliches Naturschauspiel wie das wilde Strömen des Wasserfalls. Wenn Alfred die Augen wieder öffnet und vom unmittelbaren Hotspot zurücktritt, ist er auch wieder ansprechbar und sehr gerne bereit, sein Wissen über den Wasserfall und das Wasser zu teilen. Zumindest aus Respekt sollte man seinem Beispiel folgen und ein kleines Ritual auf der unteren Brücke des Wasserfalls vollziehen. Mit dem Blick in die Stromrichtung des Wasserfalls kann man sich von seinen Sorgen trennen. Nur nicht zu lange den Blick auf das reißende Wasser werfen, denn es kann der Seele schon den einen oder anderen schwarzen Flecken auf das weiße oder leicht vergilbte Antlitz malen. In die Stromrichtung eines bewegten Wassers zu blicken, hat schon so manchen zum freien Tod verführt. Also wendet man den Blick dem tosenden Wasserfall zu und schöpft sich nach dem Wegschwemmen der Sorgen die Energie und Kraft ab. Dieses Ritual der Reinigung ist wichtig, bevor man einen Kraftplatz, wie er am Fuße des Wasserfalls einer ist, betritt. Denn wenn der Kraftplatz einmal von unserem ganzen Seelenmüll verunreinigt ist, kann der Ort kippen. „Hier waren früher eigentlich einmal zwei Wasserfälle, einen haben sie mit einer Mauer verschlossen. Leider“, betont Alfred. Denn nun besäße der Wasserfall nur mehr die halbe Kraft. Manche Menschen spüren das auch, wenn sie hierher kommen. Die Steinnadeln wurden aufgestellt, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Nichtsdestotrotz. Eine Besonderheit bietet er immer noch. „Schon einmal etwas von einer chymischen Hochzeit gehört? Das ist, wenn ein männlicher und ein weiblicher Teil sich vereinen. Das passiert auch hier.“ Genau da, wo der Wasserfall mit voller Inbrunst in die Tiefe rauscht, treffen das warme Thermalwasser, das aus der Erde kommt, und das kalte Quellwasser aus den Bergen zusammen. Das Quellwasser ist männlich und das Thermalwasser das weibliche Gegenstück. Sie vereinen sich in einer chymischen Hochzeit, eine Verbindung aus zwei Gegensätzen, die doch zusammengehören. Das unterstützt die Meditation. Prächtig und eindrucksvoll sieht er aus, eine Urgewalt. Der das Gesicht umschmeichelnde Sprühnebel ist im Sommer nicht nur erfrischend, sondern auch medizinisch wertvoll. In einer wissenschaftlichen Untersuchung konnte nachgewiesen werden, dass er gut gegen Asthma wirkt. Beim Aufprall des Wassers teilen sich Wasserstoff- und Sauerstoff-Ionen, und so entsteht reiner Sauerstoff. Auch die Haut freut sich über die Erquickung und bedankt sich mit einem strahlenden Teint. Zwei weitere Rituale lehrt Alfred, einen auszuführen. Die Steine, die wie Hinkelsteine in die Luft ragen, bilden ein Kraftfeld. Wenn man seine Handflächen aneinander reibt und dann langsam mit einer Hand zwischen die Steine gleitet und die andere auf sein Herz legt, kann man es spüren. Aber das ist bei niemandem gleich. Hier macht jeder seine eigenen Erfahrungen.

 

Ein Stück weiter oben, im Thermalquellpark, befindet sich ein kleiner Brunnen, positioniert vor dem Bildnis, welches die Sage darstellt. Aus dem Trinkbrunnen kommt warmes Thermalwasser. Man lässt es über die Handinnenflächen fließen, um dann einen Schluck davon in den Mund zu nehmen. Das Wasser erkennt die eigenen Schwachstellen. Wer genau fühlt, spürt, wo es sich beim Schlucken im Hals festsetzt oder ob es schnurstracks die Kehle hinunterläuft. Wer einen Kloß im Hals bekommt, könnte Kommunikationsschwierigkeiten haben, denn an dieser Stelle sitzt das Halsshakra. Wer es genau wissen möchte, besucht Alfred am besten bei einer gemeinsamen Meditation am Wasserfall.

„Eine Magd, die gebadet in der Gastein
gab mir Freude und Lust, als sie sich wusch´ darein.
Da ich sie ohne was erblickte,
an manches dachte, was mich so daran entzückte.
Ich griff sie an, um sie an mir zu haben,
tat sanft sie streicheln so beim Baden
und alle Welt hatt’ davon keinen Schaden;
doch uns tat’s wohl beim Scherzen
im Leib und im Herzen.”

Ob Neidhart von Reuenthal oder Oswald von Wolkenstein, die germanistische Forschung ist sich uneins. Das Lied über das Baden in Gastein stammt aus dem Jahre 1491 (oder 1210, je nach Quelle) und zeigt einen munteren und freizügigen Umgang in den Anfängen des Badewesens. Mit Freude haben Männer und Frauen gemeinsam gebadet und dabei auch keinen Hehl daraus gemacht, dass sie sich aneinander erfreuten. Gastein hatte den Ruf, Frauen fruchtbar zu machen. Als Hauptindikationen galten damals die Impotenz des Mannes und die Unfruchtbarkeit der Frau. Auch die Mutter von Mozart soll sich aus diesem Grund in Gastein aufgehalten haben, scheinbar mit Erfolg. Nach ihrem ersten Aufenthalt kam das „Nannerl“ zur Welt, nach ihrem zweiten „Wolferl“. Erklärbar ist das laut Dr. Trattner, dem Kurarzt, über die bessere Zellaktivität in Samen- und Eizellen, aber vor allem in den Eierstöcken, begünstigt durch das radonhaltige Wasser. „Die Adeligen beziehungsweise die damaligen Menschen überhaupt hatten ja Zeit. Die sind dann schon fünf bis sechs Wochen geblieben. Das hatte natürlich seine Auswirkungen“, so Dr. Trattner.

 

Die Badegäste brachten in den frühen Jahren sehr viele Stunden im Wasser zu. Sechs Stunden täglich, und das über sechs Wochen hinweg. Die Zeit vertrieb man sich nicht nur mit weniger sittsamem Austausch. Gesellschaftsspiele wie Kartenspiele oder Schach waren äußerst beliebt. Dabei trieben kleine Tischchen auf dem Wasser. Manche waren auch mit Spucknäpfen bestückt, was aber bald den Ekel mancher Gäste hervorrief. Überhaupt fing man nach und nach an, die Gemeinschaftsbäder durch Solitärbäder zu ersetzen. Erst nur für Badende mit Krankheiten, die bei den anderen Gästen Abneigung hervorriefen, dann ab 1840 stieg man allgemein von Gemeinschaftsbädern auf Einzelbäder um. Zur gleichen Zeit verabschiedete sich einer der bekanntesten Badeärzte des vorigen Jahrhunderts aus Bad Gastein. Dr. Franz Storch, geborener Bad Gasteiner, hatte einen hervorragenden Ruf als Wissenschaftler. Er war Arzt, ebenso Botaniker und Landeskundler. Das erklärt, warum es in seiner Korrespondenz mit Goethe eher um Mineralien als um medizinische Leiden ging. Goethe ließ sich von Storch Gasteiner Mineralien beschaffen und meinte einmal salopp, dass auch „Gold angenehm wäre“. Überhaupt war Bad Gastein im Munde vieler großer Persönlichkeiten. Herzöge, Grafen, Kaiser, Fürsten, Komponisten, Autoren, Philosophen, Politiker und Schauspieler verweilten und verweilen auf Kur oder zur berühmten Sommerfrische. Sie alle waren inspiriert, und viele widmeten ganze Werke ihrem geliebten Badeort.

Das heiße Wasser aus der Erde

Bad Gastein, 1500 vor Christus: Es regnet in Strömen. Das Außerordentliche an dieser Tatsache ist, dass dieser Regen heute als Thermalwasser mit 46 Grad wieder aus der Erde sprudelt – aus 17 Quellen. 2000 Jahre dauerte es, bis das Wasser ins Erdinnere absickerte, sich dort erwärmte und aufstieg. Neben dem Erhitzen nimmt es Spurenelemente auf, so enthält das Thermenwasser etwa auch Radon: Das Edelgas, das seine heilende Wirkung über die Atmung im Körper entfaltet. Jeden Tag werden die Gasteiner, die Einheimischen und die Gäste mit fünf Millionen Litern frischem Thermalwasser beschenkt.

Die zweifache Nobelpreisträgerin Marie Curie war Wegbereiterin zur Erforschung des Radons. Von E. F. Dorn wurde schließlich das gasförmige Radon entdeckt. Noch viel früher wurden das erste Mal Ansichten über die Wirkung des Wassers angestellt. Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus, genoss den Ruf, einer der größten Gelehrten des 16. Jahrhunderts zu sein. Er sprach von „Gottes eigener Composita“, wenn er das Thermalwasser meinte. Seine Ausführungen waren noch nicht sehr tiefgreifend und gingen vor allem auf die Wirkung ein, die Paracelsus mit den Kräften der Pflanzen Melissa, Serpentina und Camomilla verglich. Serpentina meint die indische Schlangenwurzel, die beruhigend, krampflösend und stimmungsaufhellend wirkt. Auch Melisse und Kamille sind als Naturmittel zur Beruhigung bekannt.

 

Im Thermalkurhaus von Bad Gastein sitzt Dr. Anton Trattner. Er sagt über die Wirkung von Radon Folgendes: „Radon ist radioaktiv. Aber es handelt sich um eine Alphastrahlung, die ist im Gegensatz zur Gammastrahlung nicht gefährlich. Man scheidet das Radon nach zwei Stunden wieder aus dem Körper aus. Die radioaktive Strahlung geht keine Bindung mit den Organen oder den Zellen im menschlichen Körper ein.“ Für die Gasteiner Bewohner bedeutet das eine bessere Immunologie, mehr Abwehrkörper, eine höhere Sauerstoffdarbringung und bessere Zirkulation. Und das bedeutet am Ende des Tages eine höhere Lebenserwartung. Im Thermalkurhaus werden vor allem rheumatische Erkrankungen, Entzündungen oder chronische Schmerzen kuriert. Das eigene Forschungsinstitut liefert die neuesten Erkenntnisse zum Wasser und den damit zu behandelnden Krankheiten.

Neben dem Thermalkurhaus liegt die Felsentherme. Sie lädt heutzutage zum Kuren und Verweilen im Wasser ein. Schwimmende Tischchen gibt es keine mehr, unsittliche Berührungen wird man bestimmt manchmal beobachten können. Direkt in den Felsen hineingebaut, ist die Felsentherme unter der Geschäftsführung von Wolfgang Riener ein energetischer Ort, der die Ruhe und Körperlichkeit der Menschen in den Vordergrund rücken möchte. Von den Saunaräumen, die mit großzügigen Glasfenstern und viel Licht ausgestattet sind, hat man einen großartigen Ausblick auf die Rossalm und die Gondelbahn auf den Stubnerkogel. Saftig und grün, beruhigend wirkt die Alm von hier aus. Bald soll es auch Yoga und Wassermeditation in der Therme geben. Kleiner und spezialisierter ist das Dunstbad im Zentrum von Bad Gastein. Dort wird seit 1825 erfolgreich die Radontherapie betrieben. Über der ergiebigsten Quelle, der Elisabethquelle, steht das Radon-Thermal-Dunstbad. Die Vorzüge des Radons werden, wie der Name schon sagt, über den aufsteigenden Dunst aufgesogen.

An der Elisabethquelle schließt sich auch unser Kreis in der Geschichte über das Wasser von Bad Gastein. Thermalwasser aus der Erde, Quellwasser aus den Bergen und oft auch Regenwasser vom Himmel. Am Anfang war das Wasser. Es war für den Aufstieg und Erfolg eines ganzen Ortes und vieler Familien verantwortlich. Gastuna tantum una – so steht es am Wappen von Gastein geschrieben. Wahrlich, Gastein, Einzige von allen.

Das Hotel Regina ist chices Townhouse und gemütliches Refugium zugleich. Wer Dalmatiner Paul kennenlernen möchte, klickt hier!

 

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