Über Wiedergeburt und die Neuerfindung (eines Ortes)
Von Oona Strathern und Matthias Horx
Fotos: Klaus Vyhnalek (Oona Strathern and Matthias Horx), Grand Tour Art Department (Hotel Grand de l’Europe)
Gegenpositionen
Eines der vielen architektonischen Spannungsfelder im Ort, wie man sie sonst nur in Großstädten wie Paris oder New York findet. Der Blick vom Kongresshaus auf das Grand Hotel de l‘Europe, geplant vom Linzer Dombaumeister Matthäus Schlager und 1906 errichtet von Baumeister Angelo Comini, der für viele der Jahrhundertwende-Gebäude in Bad Gastein verantwortlich zeichnete.
Es war während eines langen, harten Winters vor ungefähr zehn Jahren, als wir langmütig einem befreundeten Fotografen in Wien erklärten, dass es drei sehr gute Gründe gab, warum wir ihn NICHT in Bad Gastein besuchen wollten. Der erste Grund stellte die Tatsache dar, dass weder mein Mann noch ich Ski fahren, was uns ehrlich gesagt ein ausreichend gutes Argument schien. Der zweite Grund, den wir geltend machten, war der Umstand, dass durch unsere Herkunft aus einem relativ gemäßigten und hügeligen Land – ich selbst aus Irland und mein Ehemann aus Norddeutschland – unsere kollektive Familien-DNA, welche auch von unseren zwei Kindern verkörpert und genossen wird, nicht an das Klima oder die Landschaft, weder durch Anlage oder Umwelt, gewöhnt war.
Vielleicht war es nur, weil wir ihn davon abhalten wollten, uns damit ständig in den Ohren zu liegen, dass wir letztendlich hingefahren sind. Und dann kehrten wir zurück. Immer wieder. Im Frühling, im Sommer, im Herbst und sogar im Winter. Als Berufszukunftsforscher fühlen wir uns von vorausschauenden Orten, Menschen und Ideen natürlich angezogen. Als wir aber anfänglich nach Bad Gastein kamen, erlebten wir eine Stadt in einer offensichtlichen Spirale von Verzweiflung und Verfall. Als wir das erste Mal durch das Ortszentrum spazierten, fühlten wir ein intensives Gefühl von Voyeurismus, während wir das Antlitz und den Geruch der maroden Pracht der Grandhotels in uns aufnahmen. Wir erhaschten düstere und staubige Einblicke in einen ehemaligen Glanz, sahen die Geister von glamourösen, vornehmen und namhaften Gästen, die schon lange nicht mehr hier waren. Aber durch diese Dunkelheit sahen wir auch das große Potenzial. Wir fanden sogar das stillgelegte und leer stehende Kongresszentrum, oft als das „meist gehasste Gebäude in Bad Gastein“ tituliert, ziemlich schön. Wenn man zweimal hinblickt, wenn man über die Tatsache, dass es sich um eine Art architektonische Anomalie handelt, hinwegsieht, dann wird man in seinen corbusierartigen Betonkurven und gewagten Formen eine Eleganz entdecken. Wir stellten sogar fest, ebenso viel wie ein architektonisches Symbol, das gefeiert werden und gefallen sollte.
Als optimistische Zukunftsdenker neigen wir dazu, Dinge nicht nur in Bezug auf ihr vordergründiges Äußeres und ihren momentanen beklagenswerten Zustand zu sehen, sondern auch im Sinne von Megatrends, Systemen, Trends und Zyklen. So können wir eine Krise als zukünftige Chance für Veränderung sehen, für den Neustart eines Systems, statt einfach nur als ein Zeichen für eine kontinuierliche Abwärtsspirale einer Katastrophe. Aber nachhaltiger Wandel, wo er möglich ist, bedeutet sehr oft, dass man mehr als nur erneuern muss. Es bedeutet, dass es nötig ist, etwas neu zu erfinden. Diese Art von positiver Veränderung hat bei einigen der alten, düsteren Hotels bereits begonnen, und sie wurden zu einer neuen Sorte von angesagten Unterkünften. Diese sind weniger klassische Hotels als vielmehr ein Konzept von „Hideaways“, die zu neuen coolen Reisezielen für die aufkeimende urbane Kreativklasse werden. Urlaub bedeutet für diese Gäste nicht „Urlaub“ im klassisch industriellen Sinn – diese nach Zufluchtsorten Suchenden wollen, dass ihr Gehirn und ihr Körper aktiv bleiben. Sie möchten etwas beitragen, netzwerken, inspiriert werden, lernen, Ideen austauschen und unter Gleichgesinnten sein.
Als wir die Hotels „Haus Hirt“ und „Miramonte“ entdeckten, scherzten wir darüber, dass bald niemand mehr mit etwas anderem als dem Markenzeichen der Kreativklasse, dem Apple Laptop, in der Bar zu sitzen wagen würde. Es dauerte nicht lange, bis das wirklich passierte. Aber es ist nicht wichtig, welchen Computer oder welches Tablet man besitzt. Das, was diese Örtlichkeiten und Menschen auszeichnet, ist die Wahl der Bücher, Musik, Gespräche und Inspiration. Nichts davon wäre ohne die nächste Generation von Hotelbesitzern möglich, die neue Ideen und Stilrichtungen einbringen, nicht nur in Bezug auf Design und Gastfreundschaft, sondern auch in Form von Seele.
Es fühlt sich äußerst zufriedenstellend an, im Laufe der Jahre die Wiedergeburt und die Neuerfindung eines Ortes, den viele Menschen bereits abgeschrieben hatten, zu beobachten. Über die Jahre hinweg verfolgten wir die Veränderungen in Bad Gastein – ganz wie stolze Eltern, die ihre Kinder beim Erwachsenwerden und beim Lernen von neuen Dingen beobachten. Vielleicht das größte Kompliment von allen stellt die Tatsache dar, dass unsere Teenagerkinder nun zurückkommen, um ihren Urlaub mit ihren Freundinnen in Bad Gastein zu verbringen. Etwas, das man sich, nicht einmal eine Generation zuvor, vorstellen hätte können.
Man mag sich fragen, was nun unser drittes, letztes und stärkstes Killerargument war, um niemals nach Bad Gastein kommen zu wollen. Es wurde tatsächlich vor langer Zeit vergessen. Genauso wie die Anzahl der Male, die wir geblieben sind und nicht wieder weggehen wollten.

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